Das Arbeitsgericht Hamburg hat im Urteil zum Einsatz von ChatGPT im Betrieb entschieden, dass der Betriebsrat beim KI-Einsatz kein Mitbestimmungsrecht hat, wenn die Nutzung ĂĽber private Mitarbeiter-Accounts erfolgt und der Arbeitgeber keinen Zugriff auf Nutzungsdaten hat.
Dieses Urteil zur Mitbestimmung bei KI ist ein wichtiger Meilenstein im Arbeitsrecht und zeigt, unter welchen Bedingungen Unternehmen ChatGPT rechtssicher einsetzen können.
Im konkreten Fall stellte ein international tätiger Medizintechnikhersteller seinen Mitarbeitenden ChatGPT als Arbeitsmittel zur Verfügung – allerdings ausschließlich über private Accounts, die nicht vom Arbeitgeber kontrolliert wurden. Dadurch fehlte es an einem technischen Überwachungszugriff seitens des Unternehmens, der normalerweise ein Mitbestimmungsrecht auslösen könnte. Die Entscheidung sorgt in der Arbeitsrechtswelt für Aufmerksamkeit, weil sie eine erste klare Linie zur Mitbestimmung bei der Einführung generativer KI im Unternehmen zieht und sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmervertretungen wichtige Orientierung bietet.
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Hintergrund: Arbeitsgericht Hamburg zu ChatGPT-Nutzung ĂĽber private Mitarbeiter-Accounts
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg zur Nutzung von ChatGPT gehört zu den ersten Entscheidungen zur Mitbestimmung bei KI-Tools.
Im Zentrum des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg stand ein Konflikt zwischen einem Konzernbetriebsrat und einem weltweit tätigen Unternehmen im Bereich der Medizintechnik mit Sitz in Hamburg. Der Arbeitgeber hatte im Dezember 2023 den Zugriff auf ChatGPT, der zuvor kurzfristig gesperrt worden war, wieder freigegeben. Gleichzeitig veröffentlichte er im Intranet interne „Guidelines for Generative AI Utilization“, eine Generative KI-Richtlinie und ein Handbuch, die detaillierte Vorgaben für die Nutzung generativer KI im Arbeitsalltag enthielten.
Die Nutzung erfolgte nicht über Firmenaccounts, sondern ausschließlich über private Benutzerkonten, die die Mitarbeitenden selbst anlegen mussten. Eventuell anfallende Kosten waren ebenfalls von den Beschäftigten zu tragen. Da der Arbeitgeber keinen Zugriff auf diese Konten und die damit verbundenen Nutzungsdaten hatte, argumentierte er, dass kein Überwachungsdruck ausgeübt werde – ein zentrales Kriterium für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Der Betriebsrat hingegen sah durch die Richtlinien und die erneute Freischaltung der KI-Tools seine Beteiligungsrechte verletzt und forderte unter anderem ein sofortiges Nutzungsverbot für ChatGPT, bis eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen sei.
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Betriebsrat-Argumente im ChatGPT-Fall: Ordnungsverhalten, Ăśberwachung, Gesundheitsschutz
Der Konzernbetriebsrat stützte seine Anträge auf mehrere rechtliche Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts. Aus seiner Sicht waren insbesondere folgende Punkte entscheidend:
- § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnungsverhalten): Die Richtlinien zur Nutzung von KI beeinflussten das Zusammenleben im Betrieb und könnten die Belegschaft in KI-affine und KI-skeptische Gruppen spalten.
- § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Technische Überwachungseinrichtungen): ChatGPT erhebe Nutzungsdaten, die theoretisch vom Arbeitgeber zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden könnten.
- § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gesundheitsschutz): Der Einsatz neuer Software könne psychische Belastungen verursachen und müsse daher vorab mitbestimmt werden.
Der Betriebsrat betonte, dass die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT zwingend vorher mit ihm abgestimmt werden mĂĽsse, um Risiken zu vermeiden und Arbeitnehmerrechte zu wahren. Er forderte damit die Mitbestimmung beim Einsatz von KI-Tools.
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Arbeitgeber-Position im Arbeitsrecht: ChatGPT als freiwilliges Arbeitsmittel
Der Arbeitgeber wies sämtliche Vorwürfe zurück und stellte klar, dass es sich bei ChatGPT um ein freiwillig nutzbares Arbeitsmittel handle, das im Arbeitskontext vergleichbar mit einer Google-Suche sei. Eine Pflicht zur Nutzung bestehe nicht. Zudem gäbe es keine technische Möglichkeit, die Aktivitäten der Mitarbeitenden innerhalb des Tools zu überwachen, da ausschließlich private Accounts genutzt würden.
Der Arbeitgeber verwies außerdem auf eine bereits durchgeführte Datenschutz-Folgenabschätzung zu ChatGPT, mit der mögliche Risiken für personenbezogene Daten bewertet und minimiert worden seien. Die Bereitstellung von Richtlinien und Handbüchern sei Ausdruck des Direktionsrechts. Da weder ein Zugriff auf ChatGPT-Daten noch eine automatische Erfassung von Nutzungsinformationen gegeben sei, lägen die Voraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht nach dem BetrVG nicht vor.
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Bedeutung des ChatGPT-Urteils für Arbeitgeber und Betriebsräte
Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Anträge des Betriebsrats in vollem Umfang zurück. Die Richter stellten klar, dass die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT im Betrieb in diesem Fall das Arbeitsverhalten und nicht das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter betreffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist das Arbeitsverhalten – also die konkrete Ausführung der vertraglich geschuldeten Arbeit – mitbestimmungsfrei.
Da der Arbeitgeber ChatGPT lediglich als zusätzliches Werkzeug anbietet und die Nutzung ausschließlich über private Accounts erfolgt, liege auch kein Anwendungsfall für § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor. Zwar sei der verwendete Webbrowser grundsätzlich eine technische Einrichtung, die Verhaltens- oder Leistungsinformationen speichern könne, doch bestehe hierfür bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Browsernutzung. Ebenso verneinte das Gericht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, da der Betriebsrat keine konkreten Nachweise für psychische Belastungen vorlegen konnte.
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Bedeutung der Entscheidung fĂĽr die betriebliche Praxis
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg zu ChatGPT verdeutlicht, dass nicht jeder Einsatz von KI im Unternehmen automatisch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst. Entscheidend sind die technischen Rahmenbedingungen: Wenn die Nutzung über private Mitarbeiter-Accounts erfolgt und der Arbeitgeber keinerlei Zugriff auf Nutzungsdaten oder Inhalte hat, fehlt es an der notwendigen Überwachungsmöglichkeit. Damit greift § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht.
Für Betriebsräte bedeutet dies, dass sie ihre Beteiligungsrechte vor allem dann durchsetzen können, wenn der Arbeitgeber eigene Accounts bereitstellt, die Software lokal installiert oder Zugriff auf generierte Daten erhält. Unternehmen wiederum gewinnen mehr Rechtssicherheit darüber, unter welchen Bedingungen sie KI-Tools wie ChatGPT ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats einsetzen können.
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Abgrenzung: Wann Betriebsräte bei ChatGPT mitbestimmen dürfen – und wann nicht
Das Arbeitsgericht Hamburg betonte, dass die Entscheidung nicht als genereller Freibrief für den Einsatz von ChatGPT im Unternehmen zu verstehen sei. Bereits kleine technische Änderungen könnten die Rechtslage verändern, zum Beispiel:
- Dienstliche Accounts, die eine Speicherung und Auswertung von Nutzungsdaten ermöglichen
- Lokale Installation von ChatGPT auf Unternehmensrechnern
- Integration ĂĽber API-Schnittstellen in andere Unternehmenssoftware
- Erweiterte Datenauswertungen oder Zugriffsmöglichkeiten
Auch das Thema psychische Belastungen durch den Einsatz von KI am Arbeitsplatz könnte künftig stärker in den Fokus rücken, was Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG relevanter machen dürfte. Die rechtliche Bewertung des KI-Einsatzes bleibt daher stets einzelfallabhängig.
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Fazit: Klare Kriterien fĂĽr den Einsatz von ChatGPT ohne Mitbestimmung
Mit seinem Beschluss hat das Arbeitsgericht Hamburg einen wichtigen Orientierungsrahmen im Arbeitsrecht geschaffen, wann der Betriebsrat beim Einsatz von ChatGPT und anderer generativer KI nicht mitbestimmen muss. Erfolgt der Einsatz freiwillig über private Accounts ohne Arbeitgeberzugriff, handelt es sich um mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten. Unternehmen sollten jedoch jede Änderung der Einsatzbedingungen prüfen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Gleichzeitig zeigt das Urteil, dass künstliche Intelligenz unter bestimmten Voraussetzungen flexibel in den Arbeitsalltag integriert werden kann, ohne dass der Arbeitgeber in einen langwierigen Abstimmungsprozess mit der Arbeitnehmervertretung treten muss.
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❓FAQ: ChatGPT im Unternehmen – Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Das Arbeitsgericht Hamburg hat entschieden, dass der Betriebsrat beim Einsatz von ChatGPT im Betrieb kein Mitbestimmungsrecht hat, wenn das KI-Tool ausschlieĂźlich ĂĽber private Mitarbeiter-Accounts genutzt wird und der Arbeitgeber keinen Zugriff auf Nutzungsdaten hat. In diesem Fall handelt es sich um mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), nicht um Ordnungsverhalten.
Das Urteil setzt damit eine wichtiges Signal im Arbeitsrecht zur Nutzung von KI im Unternehmen.
Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht nur, wenn eine technische Überwachungseinrichtung durch den Arbeitgeber eingesetzt wird, die zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer geeignet ist.
Da ChatGPT im konkreten Fall nicht auf Firmenrechnern installiert, sondern über private Accounts und Webbrowser genutzt wurde, hatte der Arbeitgeber keine technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die generierten Inhalte oder Nutzungsdaten.
Damit entfällt der Überwachungsaspekt, und folglich auch das Mitbestimmungsrecht.
Dieses Urteil stärkt die Rechtssicherheit für Unternehmen, die KI-Tools im Betrieb freiwillig anbieten möchten.
Mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten liegt vor, wenn der Arbeitgeber lediglich festlegt, wie die vertraglich geschuldete Arbeit auszufĂĽhren ist, ohne dabei das Ordnungsverhalten im Betrieb zu regeln.
Im Fall ChatGPT im Unternehmen stellte das Gericht fest, dass es sich bei dem KI-System um ein zusätzliches, freiwilliges Arbeitsmittel handelt.
Die Nutzung von ChatGPT war den Mitarbeitenden freigestellt – damit fällt sie nicht unter die Mitbestimmungspflicht.
Das Urteil betont, dass KI-Tools wie ChatGPT zulässig eingesetzt werden können, solange keine Überwachung erfolgt.
Der Konzernbetriebsrat stĂĽtzte seine Argumentation auf verschiedene Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts und machte insbesondere folgende Punkte geltend:
- § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnungsverhalten): Die Richtlinien zur KI-Nutzung beeinflussten das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb und könnten die Belegschaft spalten.
- § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Technische Überwachungseinrichtungen): ChatGPT könne theoretisch zur Überwachung von Leistung und Verhalten genutzt werden.
- § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gesundheitsschutz): Der Einsatz neuer Software und KI-Systeme könne psychische Belastungen verursachen und müsse daher mitbestimmt werden.
Der Betriebsrat forderte, dass der Einsatz von KI im Unternehmen nur nach vorheriger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung erfolgen dĂĽrfe.
Nein. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg bezieht sich ausschlieĂźlich auf die Nutzung von ChatGPT ĂĽber private Mitarbeiter-Accounts ohne Arbeitgeberzugriff.
Bei anderen KI-Tools im Arbeitskontext – etwa solchen, die über API-Schnittstellen in Unternehmenssoftware integriert sind oder bei denen Firmenaccounts verwendet werden – kann die Rechtslage im Arbeitsrecht anders sein.
Ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, hängt immer von den technischen Rahmenbedingungen und den Datenschutzaspekten ab.
Arbeitgeber können unter bestimmten Bedingungen KI-Tools wie ChatGPT im Betrieb einsetzen, ohne vorher die Zustimmung des Betriebsrats einholen zu müssen.
Voraussetzung ist, dass keine technische Überwachung möglich ist, also weder ein Datenzugriff noch eine Nutzungsanalyse durch das Unternehmen erfolgt.
Solange die Nutzung freiwillig bleibt und ĂĽber private Accounts stattfindet, handelt es sich um mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten.
Das Urteil gibt Unternehmen damit mehr Rechtssicherheit beim Einsatz von generativer KI am Arbeitsplatz.
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Ein vollständiges Nutzungsverbot von ChatGPT im Betrieb durch den Betriebsrat ist nur möglich, wenn ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 BetrVG erfüllt ist – etwa bei technischer Überwachung oder gesundheitsrelevanten Auswirkungen.
Bei einer rein freiwilligen Nutzung ĂĽber private Accounts ohne Zugriff des Arbeitgebers besteht kein rechtlicher Anspruch auf ein Verbot.
Somit kann der Arbeitgeber ChatGPT als freiwilliges KI-Arbeitsmittel bereitstellen, sofern keine Ăśberwachung oder Kontrolle stattfindet.
Mit der zunehmenden Integration von KI-Systemen in betriebliche Prozesse wird sich auch die Rechtslage zum Thema KI und Arbeitsrecht weiterentwickeln.
Zukünftig könnten insbesondere folgende Themen stärker in den Fokus rücken:
- Psychische Belastungen durch KI-Tools am Arbeitsplatz
- Datenschutz und Datenverarbeitung bei generativer KI
- Transparenzpflichten und algorithmische Entscheidungsfindung
- Mitbestimmung bei automatisierten Prozessen
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg zu ChatGPT ist daher als Richtungsentscheidung zu verstehen, die Orientierung bietet, aber Raum für zukünftige rechtliche Entwicklungen im Arbeitsrecht und KI-Einsatz lässt.
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