Mit dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) – heute im Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) fortgeführt – hat der Gesetzgeber die datenschutzrechtlichen Vorgaben für Telekommunikation und Telemedien neu geordnet und die bisherige Rechtslage nach dem TKG abgelöst. Eine der ersten richtungsweisenden Entscheidungen zum Auskunftsanspruch nach § 21 TTDSG hierzu stammt vom Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 23.02.2022, Az.: 9 Wx 23/21).
Das OLG Schleswig stellte klar, dass § 21 Abs. 2 TTDSG eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch von Social-Media-Plattformen darstellt. Im konkreten Fall ging es um Instagram. Damit ersetzt die Norm das frühere zweistufige Modell nach § 14 TMG a.F., bei dem eine gerichtliche Gestattung notwendig war, bevor Auskunftsansprüche geltend gemacht werden konnten.
Besonders relevant ist das Marktortprinzip (§ 1 Abs. 3 TTDSG): Selbst Plattformen ohne Niederlassung in Deutschland, deren Dienste hier abrufbar sind, müssen den Anforderungen des Auskunftsanspruchs nachkommen. Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Cybermobbing oder Hate Speech können also künftig gerichtlich die Herausgabe von Bestandsdaten verlangen, um zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld gezielt durchzusetzen.
Auskunftsanspruch nach TTDSG gestärkt: OLG Schleswig zum Instagram-Fall
Der zugrunde liegende Sachverhalt zeigt praxisnah, wann der Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TTDSG greift:
Auf Instagram wurde ein Fake-Account mit dem Namen „X_wurde_gehackt“ betrieben. Auf diesem Profil wurden mehrere Bilder veröffentlicht, die eine junge Frau in Unterwäsche zeigten. Dabei war das Gesicht auf den Bildern jeweils durch ein Smartphone verdeckt.
In den begleitenden Kommentaren und Beschriftungen wurden zudem sexualisierte Äußerungen und herabwürdigende Aussagen gemacht, die den Eindruck erweckten, die Betroffene sei an sexuellen Kontakten interessiert.
Nachdem eine Klassenkameradin die Betroffene auf den Fake-Account aufmerksam gemacht hatte, meldete die Betroffene das Profil bei Instagram. Instagram deaktivierte den Account daraufhin.
Das OLG Schleswig stellte fest, dass die Kombination aus Erstellung des Fake-Accounts, Veröffentlichung der Bilder und den sexualisierten Kommentaren eine Beleidigung im Sinne von § 185 StGB darstellt und damit einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG).
Nach Auffassung des OLG Schleswig rechtfertigen weder die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) noch die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) die veröffentlichten Äußerungen. Das Gericht betont, dass es sich um eine diffamierende, nicht sachlich fundierte Herabwürdigung handelt.
Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TTDSG:
- Rechtswidriger Inhalt: Die sexualisierten Kommentare und die Bildveröffentlichungen erfüllen den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB).
- Erkennbarkeit der Betroffenen: Durch den Kontonamen, den Kontext und Hinweise aus dem Umfeld war die Betroffene eindeutig identifizierbar.
- Erforderlichkeit der Auskunft: Ohne Herausgabe der Bestandsdaten wäre eine effektive Rechtsverfolgung nicht möglich.
- Gerichtliche Verpflichtung: Das Gericht kann die Plattform verpflichten, die vorhandenen Bestandsdaten wie Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Verantwortlichen offenzulegen.
Diese Entscheidung sendet ein klares Signal: Social-Media-Plattformen müssen bei DSGVO- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen konsequent kooperieren sowie die erforderlichen Bestandsdaten bereitstellen, damit Betroffene ihre Rechte nach dem TTDSG durchsetzen können – wie im vorliegenden Fall durch die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs.
TTDSG-Auskunftsanspruch: Bestandsdaten ja, Nutzungsdaten nein
Ein zentrales Ergebnis der Entscheidung: Der Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TTDSG ist ausdrücklich auf Bestandsdaten beschränkt. Dazu gehören Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers. Nutzungsdaten wie IP-Adressen oder Upload-Zeitpunkte sind dagegen ausgeschlossen – eine entscheidende Klarstellung des OLG Schleswig
Für die Herausgabe von Nutzungsdaten gilt ein separates Verfahren nach § 24 TTDSG, das ausschließlich für öffentliche Stellen wie Staatsanwaltschaften vorgesehen ist. Das OLG Schleswig stellte klar, dass § 21 TTDSG ausschließlich Bestandsdaten umfasst. Eine Anwendung auf Nutzungsdaten, wie IP-Adressen, scheidet aus, da der Gesetzgeber hierfür mit § 24 TTDSG eine eigene Regelung geschaffen hat.
Praktische Folgen:
- Bestandsdaten → können direkt gerichtlich angefordert werden
- Nutzungsdaten → Herausgabe nur an öffentliche Stellen
- Privatpersonen haben keine direkte Rechtsgrundlage, um IP-Adressen zu erfahren
- Risiko: Bei falschen Angaben oder Pseudonymen wird die Rechtsdurchsetzung erschwert
Gerade bei Fake-Accounts, Hate Speech oder Cybermobbing ist diese Regelung von hoher praktischer Relevanz. Plattformen geraten dadurch zunehmend unter Druck, über Klarnamenpflichten oder Identitätsprüfungen nachzudenken.
Mehr Rechtsschutz für Betroffene: TTDSG beschleunigt Verfahren bezüglich des Auskunftsanspruchs
Die Entscheidung des OLG Schleswig hat weitreichende Bedeutung für die Rechtsdurchsetzung im digitalen Raum, insbesondere den Auskunftsanspruch gemäß dem TTDSG. Durch § 21 Abs. 2 TTDSG wird der Rechtsschutz Betroffener erheblich beschleunigt und gestärkt.
Während nach der alten Rechtslage (§ 14 TMG a.F.) zunächst eine gerichtliche Gestattung eingeholt werden musste, bietet die neue Regelung im TTDSG nun einen unmittelbaren materiell-rechtlichen Anspruch. Damit entfällt das frühere zweistufige Verfahren, was Zeit und Kosten spart.
In Zeiten zunehmender Hate Speech, Identitätsmissbrauch und Cybermobbing ist das Urteil wegweisend. Plattformbetreiber wie Instagram, TikTok, Facebook oder YouTube werden künftig häufiger mit gerichtlichen Auskunftsansprüchen auf Grundlage des TTDSG konfrontiert.
Herausforderungen: Pseudonyme, Klarnamenpflicht und Kostenrisiken
Trotz der Stärkung der Betroffenenrechte und des Auskunftsanspruchs durch§ 21 TTDSG bringt das Urteil des OLG Schleswig weiterhin erhebliche Herausforderungen mit sich:
1. Kostenrisiko bleibt bestehen bei Geltendmachung des Auskunftsanspruchs gemäß TTDSG
Die Kosten für die richterliche Anordnung des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 3 TTDSG trägt zunächst der Verletzte. Zwar können diese Kosten im Rahmen der zivilrechtlichen Ansprüche vom Schädiger zurückgefordert werden, doch bei insolventen Tätern bleibt das finanzielle Risiko beim Betroffenen.
2. Pseudonyme erschweren die Rechtsdurchsetzung bezüglich des Auskunftsanspruchs
Der Auskunftsanspruch gemäß TTDSG funktioniert nur, wenn Plattformbetreiber korrekte Bestandsdaten vorhalten. Da viele Social-Media-Dienste wie Instagram, TikTok oder Facebook die Verwendung von Fantasienamen zulassen, stoßen Betroffene bei der Identifikation der Verantwortlichen oft an praktische Grenzen.
Das bedeutet: Auch wenn das TTDSG rechtlich klare Auskunftsansprüche bietet, ist eine effektive Durchsetzung häufig erschwert, wenn Nutzer falsche Angaben machen.
3. Klarnamenpflicht: Früher, heute und offene Fragen
Ein besonders relevanter Punkt ist die Frage, ob Social-Media-Plattformen ihre Nutzer verpflichten dürfen, Klarnamen öffentlich zu verwenden. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2022 wegweisende Entscheidungen gefällt:
a) Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO
- Nach dem alten Telemediengesetz (§ 13 Abs. 6 TMG a.F.) galt der Grundsatz: „Diensteanbieter haben die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“
- Klarnamenpflichten in AGBs waren daher regelmäßig unwirksam.
b) BGH, Urteil vom 27.01.2022 – Az. III ZR 3/21
Betraf eine Altregistrierung vor dem 25. Mai 2018 (also vor Inkrafttreten der DSGVO).
- Der BGH entschied:
Plattformen wie Facebook dürfen Nutzer nicht verpflichten, ihren echten Namen öffentlich zu verwenden, wenn die Anmeldung vor dem 25. Mai 2018 erfolgte. - Begründung: Nach dem alten § 13 Abs. 6 TMG a.F. mussten Diensteanbieter die Nutzung anonym oder unter Pseudonym ermöglichen, sofern technisch möglich und zumutbar.
c) BGH, Urteil vom 27.01.2022 – Az. III ZR 4/21
Ebenfalls ein Fall einer Altregistrierung vor dem 25. Mai 2018.
- Hier ging es zusätzlich darum, dass der Anbieter das Nutzerkonto gesperrt hatte, weil der Nutzer ein Pseudonym verwendete.
- Der BGH entschied, dass die Sperrung rechtswidrig war und der Anbieter das Konto wieder freischalten musste.
Fazit & Ausblick: Auskunftsanspruch nach § 21 TTDSG und Folgen des OLG-Schleswig-Urteils
Die Entscheidung des OLG Schleswig markiert einen Meilenstein für den Schutz von Persönlichkeitsrechten im digitalen Raum, insbesondere zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen. Mit dem damals noch geltenden § 21 Abs. 2 TTDSG – heute § 21 TDDDG – haben Betroffene eine klare und weiterhin gültige Rechtsgrundlage, um gegen rechtswidrige Inhalte auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok vorzugehen.
Der Auskunftsanspruch nach dem TTDSG ermöglicht es, Bestandsdaten wie Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Täters gerichtlich einzufordern, um zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld durchzusetzen. Nutzungsdaten wie IP-Adressen sind davon jedoch ausgenommen und können nur von öffentlichen Stellen nach § 24 TTDSG angefordert werden.
Der gesetzliche Rahmen hat sich zudem weiterentwickelt:
- Das frühere TTDSG wurde in das Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) umbenannt; die Regelungen, einschließlich des § 21 TDDDG, wurden weitgehend unverändert übernommen.
- Das neue Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) ergänzt diesen Rahmen, indem es die Vorgaben des EU-Digital Services Act (DSA) umsetzt und Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung
- Damit gilt heute ein kombinierter Rechtsrahmen aus TDDDG und DDG, der Betroffenen weiterhin ermöglicht, ihre Rechte effektiv durchzusetzen.
Mit der steigenden Zahl von Fällen wie Hate Speech, Cybermobbing und Identitätsdiebstahl wächst der Druck auf Plattformbetreiber, ihrer Kooperationspflicht nachzukommen und klare Richtlinien zur Identitätsverifikation und Datenvorhaltung einzuführen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich Rechtsprechung und Gesetzgebung weiterentwickeln, um den Schutz von Persönlichkeitsrechten im digitalen Raum zu stärken und Auskunftsansprüche zu erleichtern
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❓FAQ zum Auskunftsanspruch nach § 21 TTDSG
§ 21 TTDSG – seit Mai 2024 in § 21 TDDDG überführt – regelt den gerichtlichen Auskunftsanspruch gegen Plattformbetreiber wie Instagram, Facebook oder TikTok.
Betroffene können bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen die Herausgabe von Bestandsdaten (Name, E-Mail, Telefonnummer) verlangen.
Nein, Privatpersonen haben keinen direkten Anspruch auf Herausgabe von Nutzungsdaten wie IP-Adressen.
Diese können ausschließlich von Behörden (z. B. Staatsanwaltschaft) angefordert werden.
Das Urteil stärkt die Rechte von Betroffenen massiv.
Wer durch Fake-Accounts, Cybermobbing oder Hate Speech geschädigt wird, kann nun schneller und effektiver die Identität des Täters feststellen lassen und Auskunft verlangen – zumindest soweit korrekte Bestandsdaten vorliegen.
Ja.
Nach dem Marktortprinzip (§ 1 Abs. 3 TTDSG) gilt der Auskunftsanspruch auch für Anbieter mit Sitz im Ausland, sofern deren Dienste in Deutschland abrufbar sind.
Die Kosten für die richterliche Anordnung trägt nach § 21 Abs. 3 TTDSG zunächst der Betroffene selbst.
Sie können vom Täter zurückgefordert werden, allerdings bleibt ein Risiko bestehen, wenn der Täter zahlungsunfähig ist.
Das DDG setzt den EU Digital Services Act (DSA) um und regelt die Pflichten von Plattformbetreibern umfassender, z. B. Löschfristen und Transparenz.
Der Auskunftsanspruch selbst bleibt aber weiterhin in §21 TTDSG – jetzt § 21 TDDDG -geregelt.
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