Berufskraftfahrer riskiert ALG-Sperrzeit bei Verkehrsverstoß

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Sperrzeit wegen grober Fahrlässigkeit nach Verkehrsverstoß: Das Urteil des LSG Baden-Württemberg (Az. L 8 AL 1022/22) zeigt, dass Berufskraftfahrer bei Führerscheinverlust nicht nur ihre berufliche Existenz riskieren, sondern auch mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gemäß § 159 SGB III rechnen müssen – selbst bei privaten Verkehrsverstößen.

 

Verkehrsverstöße gefährden Fahrerlaubnis und Arbeitsplatz

Ein langjährig beschäftigter Berufskraftfahrer aus Baden-Württemberg verlor seinen Arbeitsplatz, nachdem ihm wegen mehrfacher Verkehrsverstöße die Fahrerlaubnis entzogen worden war. Insgesamt hatte er sich innerhalb von etwa zwei Jahren acht Punkte im Verkehrszentralregister – umgangssprachlich „Punkte in Flensburg“ – eingehandelt. Die wiederholte Missachtung von Verkehrsregeln, insbesondere mehrfaches zu schnelles Fahren und das Benutzen eines Mobiltelefons während der Fahrt, führten letztlich zur Anordnung des Entzugs der Fahrerlaubnis.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen Punktestand und Berufsausübung für Kraftfahrer besonders kritisch: Schon ab vier Punkten drohen Ermahnungen, bei sechs Punkten folgen Verwarnungen. Bei acht Punkten erfolgt nach § 4 StVG zwingend die Entziehung der Fahrerlaubnis. Für Berufskraftfahrer bedeutet dies automatisch den Verlust der Arbeitsgrundlage. So wie in diesem Fall.

 

Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gemäß § 159 SGB III wegen grober Fahrlässigkeit

Der Fahrer meldete sich umgehend arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Doch die Agentur für Arbeit verhängte eine Sperrzeit von zwölf Wochen wegen grober Fahrlässigkeit gemäß § 159 SGB III. Begründet wurde dies mit dem Hinweis, dass der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten selbst Anlass zur Kündigung gegeben habe. Das bedeutet: Er hat die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen verletzt, indem er durch eigenes Fehlverhalten seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

In Fällen der Sperrzeit bei Entziehung der Fahrerlaubnis von Berufskraftfahrern prüfen die Arbeitsagenturen regelmäßig, ob das Verhalten vorsätzlich oder grob fahrlässig war. Die Entscheidung basiert nicht allein auf dem Verkehrsverstoß selbst, sondern auch auf dessen Zusammenhang mit der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht – nämlich der Fähigkeit, Fahrzeuge führen zu dürfen. Grobe Fahrlässigkeit wird dann angenommen, wenn dem Fahrer bei einfachster Betrachtung hätte klar sein müssen, dass sein Verhalten Konsequenzen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes nach sich ziehen kann.

 

Urteil des LSG Baden-Württemberg: Erhöhte Sorgfaltspflicht für Berufskraftfahrer

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) bestätigte in seinem Urteil diese Einschätzung. Berufskraftfahrer hätten eine ungeschriebene arbeitsvertragliche Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu vermeiden, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten. Diese Pflicht gelte uneingeschränkt – sowohl während der Dienstzeit als auch im privaten Bereich. Das Gericht verwies ausdrücklich auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die Fahrerlaubnis eine zentrale Geschäftsgrundlage für das Arbeitsverhältnis darstellt.

Für Berufskraftfahrer bedeutet dies, dass sie eine erhöhte Pflicht zur Verkehrstreue trifft. Wer wiederholt gegen Vorschriften verstößt, dokumentiert eine mangelnde Einsicht und gefährdet wissentlich seine berufliche Existenz. Dabei ist es irrelevant, wie gravierend die Verstöße sind – auch wiederholte, scheinbar geringfügige Zuwiderhandlungen wiegen schwer, wenn sie zur Punktezunahme im Fahreignungsregister führen.

 

Irrtum über Punktestand schützt nicht vor Sperrzeit

Besondere Bedeutung maß das Gericht dem Irrtum des Klägers über seinen Punktestand bei. Der Kläger glaubte, ein früherer Punkt sei bereits verfallen. Tatsächlich war dieser Punkt noch im sogenannten Überliegezeitraum gespeichert, der laut § 29 Abs. 6 StVG ein Jahr dauert. Innerhalb dieses Jahres können eigentlich gelöschte Punkte noch zur Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden, wenn neue Verstöße hinzukommen.

Das Gericht entschied: Ein Irrtum über den Punktestand entlastet nicht, sondern verstärkt die Verantwortung des Fahrers. Grobe Fahrlässigkeit sei daher gegeben. Ein Laienirrtum über die Rechtsfolgen oder Systematik des Punktesystems sei vermeidbar gewesen. Der Kläger hätte seinen Punktestand bei der Fahrerlaubnisbehörde erfragen oder rechtlichen Rat einholen können. Die Entscheidung betont damit die Eigenverantwortung bei der rechtlichen Selbstinformation – ein Kernelement der Bewertung von grober Fahrlässigkeit im Sperrzeitrecht.

 

Auch ohne schriftlichen Arbeitsvertrag besteht Pflicht zur Verkehrstreue

Ein weiterer Einwand des Klägers, es habe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag gegeben, ließ das Gericht nicht gelten. Auch ohne vertragliche Regelung sei ein Berufskraftfahrer verpflichtet, seine Fahrerlaubnis zu bewahren – andernfalls könne er seine vertraglichen Hauptpflichten nicht erfüllen. Entscheidend sei nicht der Vertragstext, sondern die konkret ausgeübte Tätigkeit und deren Voraussetzung: Hier war das Fahren eines LKWs integraler Bestandteil.

Somit bestehe auch ohne vertragliche Klarstellung eine ungeschriebene Pflicht zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit als Kraftfahrer. Dies gelte ebenso für Privatfahrten – denn Verkehrsverstöße im privaten Bereich haben dieselben Konsequenzen für das Punktekonto wie dienstliche. Für Arbeitgeber ist diese Rechtsprechung bedeutsam: Sie bestätigt, dass Vertragsverstöße auch ohne formelle Abmahnung zur Kündigung und zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen können, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Keine Verkürzung der Sperrzeit – keine besondere Härte festgestellt

Das LSG sah auch keine Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Sperrzeit auf sechs oder drei Wochen. Es lag weder eine besondere Härte noch ein geringes Verschulden vor. Die wiederholten Verkehrsverstöße seien über mehrere Jahre hinweg begangen worden – trotz Ermahnungen und Verwarnungen durch die Behörden. Auch die Tatsache, dass die Kündigung Monate nach dem letzten Verstoß ausgesprochen wurde, ändere an der Bewertung nichts.

Eine Sperrzeit von zwölf Wochen sei auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Klägers nicht unverhältnismäßig. Der Kläger konnte nachweislich mit den Konsequenzen seines Tuns rechnen. Das Gericht stellte klar: Wer über Jahre hinweg gegen Verkehrsregeln verstößt, kann sich nicht auf mangelnde Kenntnis berufen.

 

Führerscheinverlust durch Privatfahrt: Auch hier droht Sperrzeit

Die Entscheidung stellt klar: Wer beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, muss sich auch in der Freizeit gesetzestreu verhalten. Das Gericht betont, dass es keine Rolle spiele, ob der letzte Verkehrsverstoß auf einer Privatfahrt oder während der Arbeit erfolgt sei. Entscheidend sei allein, dass dadurch die Fähigkeit zur Vertragserfüllung – konkret das Fahren eines LKW – verloren gehe.

Für Berufskraftfahrer bedeutet dies eine gesteigerte Verantwortung – auch in der Freizeit. Wer diese Verantwortung dauerhaft nicht wahrnimmt, riskiert nicht nur die Kündigung, sondern auch den Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für einen bestimmten Zeitraum. Arbeitgeber können sich in vergleichbaren Fällen auf diese Rechtsprechung stützen, wenn sie arbeitsrechtliche Maßnahmen wegen Punkteeinträgen in Flensburg treffen müssen.

 

Rechtliche Konsequenz: Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ist gerechtfertigt

In der Summe kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Kläger die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe. Die Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld sei rechtmäßig. Die Dauer von zwölf Wochen sei angesichts des Verhaltens auch nicht zu beanstanden. Der Kläger habe durch sein wiederholtes, sorgfaltswidriges Verhalten nicht nur gegen Straßenverkehrsrecht, sondern auch gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.

Die Argumentation des Klägers, er habe nicht gewusst, wie das Punktesystem funktioniert, ließ das Gericht nicht gelten. Dies sei im heutigen Informationszeitalter kein tragfähiger Entschuldigungsgrund mehr. Vielmehr müsse jeder, insbesondere aber Berufskraftfahrer, wissen, wie die Punktevergabe funktioniert – insbesondere bei wiederholtem Hinweis der Fahrerlaubnisbehörde.

 

Fazit: Verkehrstreue ist berufliche Pflicht – auch in der Freizeit

Die Entscheidung zeigt, wie eng Verkehrsrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht im Fall von Berufskraftfahrern miteinander verzahnt sind. Wer seine Fahrerlaubnis riskiert, gefährdet nicht nur seinen Job – sondern auch seine finanzielle Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit.

 

Praxistipps für Berufskraftfahrer und Arbeitgeber:

  • Berufskraftfahrer sollten ihren Punktestand regelmäßig bei der Behörde abfragen.

  • Bei drohender Entziehung der Fahrerlaubnis ist frühzeitig fachlicher Rechtsrat einzuholen.

  • Arbeitgeber sollten klar dokumentieren, wenn der Besitz eines Führerscheins Voraussetzung der Tätigkeit ist.

  • Auch bei privaten Fahrten gelten die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, die den Erhalt der Einsatzfähigkeit sichern sollen.

 

❓ FAQ – Sperrzeit beim Arbeitslosengeld für Berufskraftfahrer

Eine Sperrzeit bedeutet, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für bis zu 12 Wochen ruht. Sie tritt ein, wenn der Berufskraftfahrer seine Arbeitslosigkeit durch grob fahrlässiges Verhalten – z. B. den Verlust der Fahrerlaubnis – selbst verursacht hat.

Ja. Für Berufskraftfahrer gelten arbeitsvertragliche Nebenpflichten auch außerhalb der Arbeitszeit. Wer privat Verkehrsregeln verletzt und dadurch seine Fahrerlaubnis verliert, riskiert ebenfalls eine Sperrzeit.

Ja, es kann Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden. Erfolg hat dies aber nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass kein grobes Verschulden vorlag oder eine besondere Härte gegeben ist.

Nein. Auch ohne schriftlichen Vertrag ist ein Berufskraftfahrer verpflichtet, seine Fahrerlaubnis zu erhalten. Das ergibt sich aus der Natur der Tätigkeit und den damit verbundenen Pflichten.

  • Punktestand regelmäßig bei der Führerscheinstelle erfragen
  • Verkehrsregeln jederzeit einhalten – auch privat
  • Bei drohendem Entzug frühzeitig anwaltlichen Rat einholen

*Rechtlicher Hinweis

Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Die Inhalte wurden mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität übernommen werden. 

Der Beitrag wurde am 11. September 2025 aktualisiert.

Änderungen der Rechtslage oder der Rechtsprechung, die nach diesem Datum erfolgt sind, sind nicht berücksichtigt. Bitte wenden Sie sich für eine individuelle rechtliche Beratung an einen Rechtsanwalt.

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