Datenschutz schlägt SCHUFA-Interesse
Am 10. April 2025 fällte das Oberlandesgericht Köln ein wegweisendes Urteil mit weitreichenden Konsequenzen für die Speicherpraxis von Wirtschaftsauskunfteien. Die Richter stellten klar: Das langfristige Speichern bereits bezahlter Schulden – wie es bisher üblich war – ist mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht vereinbar. Im Mittelpunkt des Falls stand die SCHUFA Holding AG, Deutschlands größte Auskunftei. Das Urteil sendet ein klares Signal: Datenschutz schlägt SCHUFA-Interesse – jedenfalls dann, wenn der ursprüngliche Zweck der Datenspeicherung entfällt.
Hintergrund: Streit um die Löschung bezahlter Schulden
Auslöser des Verfahrens war ein Bürger, der gegen die SCHUFA vorging, weil sie weiterhin Informationen über drei bereits beglichene Forderungen in seiner Bonitätsbewertung berücksichtigte. Obwohl die Einträge nach drei Jahren gelöscht wurden, forderte der Kläger deren sofortige Entfernung nach Zahlung sowie Schadensersatz. Während das Landgericht Bonn die Klage zunächst ablehnte, entschied das OLG Köln teilweise zugunsten des Klägers. Die Begründung: Die Weitergabe der veralteten Zahlungsinformationen habe seinen Ruf beschädigt. Er erhielt 500 Euro immateriellen Schadensersatz.
Rechtliche Grundlagen: DSGVO & ZPO im Fokus
Das Gericht argumentierte, dass die dreijährige Speicherung getilgter Schulden keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr habe, sobald der offene Betrag vollständig beglichen wurde. Ein berechtigtes Interesse der Auskunfteien im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO liege in solchen Fällen nicht mehr vor.
Besondere Relevanz erhielten:
Art. 17 DSGVO, das „Recht auf Löschung“, wenn der Zweck der Datenverarbeitung entfällt,
§ 882 ZPO, nach dem Einträge im Schuldnerverzeichnis zu löschen sind, sobald eine vollständige Tilgung nachgewiesen wird – in der Praxis oft nach sechs Monaten.
Einfluss des Europäischen Gerichtshofs
Die Entscheidung des OLG Köln steht in engem Zusammenhang mit einem Urteil des EuGH vom Dezember 2023. Dort war festgestellt worden, dass Informationen über Restschuldbefreiungen nicht länger gespeichert werden dürfen als sie in öffentlichen Registern einsehbar sind – in der Regel sechs Monate. Das OLG überträgt diese Maßstäbe nun auch auf andere Zahlungsstörungen: Privat gespeicherte Daten über erledigte Forderungen sind demnach genauso zu behandeln wie öffentliche Insolvenzvermerke.
Revision angekündigt: SCHUFA hält an Speicherpraxis fest
Die SCHUFA akzeptiert das Urteil nicht und hat Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Sie verweist auf hunderte Gerichtsurteile, welche die bestehende Speicherfrist von drei Jahren bisher gestützt hätten – unter anderem von Oberlandesgerichten in München, Bremen und Frankfurt. Auch warnt sie vor wirtschaftlichen Folgen: Eine verkürzte Speicherfrist könne laut SCHUFA das Risiko von Kreditausfällen erhöhen und die Kreditvergabe erschweren.
Der „Code of Conduct“ bleibt vorerst maßgeblich
Die derzeit gültige Speicherpraxis beruht auf einem branchenspezifischen Verhaltenskodex, der in Zusammenarbeit mit Datenschutzaufsichtsbehörden entwickelt wurde. Auch wenn dieser rechtlich nicht bindend ist, gilt er weiterhin als Richtlinie – bis zur abschließenden Entscheidung des BGH oder einer gesetzlichen Neuregelung.
Auswirkungen für Verbraucher: Mehr Kontrolle über Bonitätsdaten
Für Verbraucher ergeben sich aus dem Urteil erhebliche Vorteile:
Bereits beglichene Forderungen können früher gelöscht werden – ohne dreijährige Wartezeit.
Wer durch veraltete Einträge benachteiligt wurde, kann unter Umständen Schadensersatz geltend machen.
Die Rückkehr zu fairen wirtschaftlichen Teilhabechancen wird beschleunigt.
Was Betroffene jetzt tun sollten
Verbraucher, die ihre Schulden bereits vollständig bezahlt haben, sollten aktiv die Löschung entsprechender Einträge bei Auskunfteien wie SCHUFA, CRIF Bürgel oder infoscore beantragen. Ein Verweis auf das OLG-Urteil und ein Nachweis der Zahlung können dabei hilfreich sein – auch im Kontext laufender Kreditanträge.
❗ Tipp: Bei Fragen zur konkreten Umsetzung oder rechtlichen Durchsetzung helfen wir Ihnen gerne weiter.
Ausblick: Zwischen Fortschritt und rechtlicher Unsicherheit
Das Urteil des OLG Köln bedeutet einen klaren Schritt hin zu mehr Datenschutz und einer zweiten Chance für zahlungsfähige Verbraucher. Gleichzeitig bleibt die Rechtslage bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs offen – mit entsprechendem Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und wirtschaftlicher Risikoabwägung.
❓FAQ zum Urteil „Datenschutz schlägt SCHUFA-Interesse“
Das Gericht urteilte, dass die dreijährige Speicherung bereits beglichener Schulden durch Auskunfteien wie die SCHUFA gegen die DSGVO verstößt, wenn der Zweck der Datenverarbeitung entfällt. Kurz: Erledigte Schulden dürfen nicht einfach jahrelang gespeichert werden.
Betroffene können eine frühere Löschung ihrer Bonitätsdaten verlangen – und müssen nicht mehr automatisch drei Jahre warten. Das stärkt die Chance auf faire Kreditvergaben, Kontoeröffnungen oder Wohnungssuchen.
Noch nicht vollständig: Die SCHUFA hat Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Dennoch können Betroffene sich bereits darauf berufen.
Ja. Der EuGH hatte bereits 2023 geurteilt, dass Informationen über Restschuldbefreiungen nicht länger gespeichert werden dürfen als öffentlich einsehbar – meist sechs Monate. Dieser Grundsatz wurde auf SCHUFA-Einträge übertragen.
Im verhandelten Fall erhielt der Kläger 500 Euro immateriellen Schadensersatz. Ob ein Anspruch besteht, hängt vom Einzelfall ab. Eine generelle Regelung gibt es noch nicht.
Der Bundesgerichtshof wird sich mit dem Fall befassen. Bis dahin herrscht rechtliche Unsicherheit. Dennoch: Das Signal ist eindeutig – Datenschutz schlägt SCHUFA-Interesse.