Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass ein Drohnenflug über private Wohngrundstücke ohne Einwilligung der Eigentümer rechtswidrig ist. Anlass war ein Fall aus Bayern, in dem eine Gemeinde mithilfe von Kameradrohnen die Geschossflächen von Gebäuden ermitteln wollte, um Abwassergebühren neu zu kalkulieren.
Hierzu sollten mit Kameras ausgestattete Drohnen private Grundstücke überfliegen, hochauflösende Luftbilder aufnehmen und diese georeferenzieren. Ziel war die Erstellung dreidimensionaler Gebäudemodelle als Grundlage für die Gebührenberechnung.
Fehlende Rechtsgrundlage: BayVGH stuft Drohnenaufnahmen als personenbezogene Daten ein
Das Gericht stellte klar, dass solche Drohnenaufnahmen personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) darstellen. Aus dem Erscheinungsbild eines Hauses, seiner Lage und der Verbindung mit Katasterdaten lassen sich Rückschlüsse auf die Bewohner und deren Adresse ziehen.
Auch Aufnahmen von Terrassen, Balkonen, Gärten oder Einblicken durch Fenster betreffen die Privatsphäre erheblich.
Die Richter betonten, dass weder das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) noch kommunale Satzungen eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine so tiefgreifende Datenerhebung per Drohne bieten. Selbst das im Kommunalabgabengesetz (BayKAG) verankerte Betretungsrecht deckt keine Luftbefliegung ab. Damit stärkt der Beschluss den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Für Kommunen gilt: Ohne klare gesetzliche Ermächtigung und ausdrückliche Zustimmung der Eigentümer ist ein Drohnenflug zur Datenerhebung unzulässig – und zwar nicht nur im Abgabenrecht, sondern auch allgemein bei der Erfassung privater Grundstücke aus der Luft.
DSGVO und Drohnenaufnahmen: Warum Luftbilder personenbezogene Daten sind
Die Entscheidung des BayVGH stützt sich maßgeblich auf die DSGVO. Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen. Bei Drohnenaufnahmen von Grundstücken und Gebäuden ist dieser Personenbezug gegeben – und zwar aus mehreren Gründen:
- Georeferenzierte Luftbilddaten: Luftbilder werden häufig mit exakten Geodaten verknüpft. Diese erlauben eine eindeutige Zuordnung zum Grundstück und somit zum Eigentümer.
- Erfassung privater Wohn- und Lebensverhältnisse: Kameradrohnen können Bereiche aufnehmen, die der Öffentlichkeit normalerweise verborgen bleiben – etwa Gärten, Balkone, Terrassen oder Innenräume durch Glasflächen. Dadurch werden private Lebensbereiche dokumentiert.
- Indirekte Identifizierung: Selbst wenn keine Person im Bild zu sehen ist, kann die Kombination aus Lage, Bebauung und weiteren Daten aus öffentlichen Registern eine Identifizierung ermöglichen.
Nach Ansicht des Gerichts ist dies ein erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Entgegen der Argumentation der betroffenen Gemeinde handelt es sich nicht um einen „geringfügigen“ Eingriff, wie er durch die Generalklausel des Art. 4 BayDSG gedeckt wäre. Vielmehr ist eine spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich, um solch eine Maßnahme rechtlich zu legitimieren.
Fehlt eine solche Grundlage, ist die Datenerhebung per Drohne unzulässig – unabhängig davon, ob die Drohne in einer bestimmten Höhe fliegt oder ob versucht wird, Personen und Gegenstände unkenntlich zu machen. Auch die Luftverkehrsordnung (LuftVO) ändert daran nichts, da sie in diesem Kontext keine datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm bietet.
Fehlende Rechtsgrundlage für Drohnenüberflüge: BayVGH stärkt Datenschutz
Ein zentrales Argument des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs war, dass es derzeit keine ausreichende gesetzliche Grundlage für Drohnenflüge zu Verwaltungszwecken gibt. Zwar dürfen Gemeinden auf Grundlage des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und der Beitrags- und Gebührensatzungen Daten erheben, die für die Berechnung von Beiträgen und Gebühren erforderlich sind. Doch diese Regelungen sehen in der Regel nur das Betreten von Grundstücken vor – nicht das Befliegen mit Kameradrohnen.
Im konkreten Fall enthielt weder die Entwässerungssatzung noch die Beitrags- und Gebührensatzung der Gemeinde eine Klausel, die Drohnenaufnahmen zulässt. Auch das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) bietet hier keine Hilfe: Die Generalklausel in Art. 4 BayDSG greift nur bei geringfügigen Eingriffen. Eine Drohnenflug, der hochauflösende Bilder von privaten Grundstücken anfertigt, gilt jedoch als intensiver Grundrechtseingriff und überschreitet diesen Rahmen deutlich.
Eine rechtliche Grundlage lässt sich auch nicht aus dem Betretungsrecht nach Art. 13 BayKAG in Verbindung mit der Abgabenordnung ableiten. Dieses gestattet lediglich das tatsächliche Betreten eines Grundstücks zur „Einnahme eines Augenscheins“, nicht jedoch den Einsatz von Kameradrohnen. Ein Überflug aus der Luft stellt begrifflich etwas anderes dar als das physische Betreten.
Verfassungsrechtlicher Schutz: Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung
Das Gericht stuft den Einsatz von Kameradrohnen zur Ermittlung von Geschossflächen als schwerwiegenden Grundrechtseingriff ein. Dabei stehen zwei zentrale verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter im Mittelpunkt:
1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundrecht schützt jede Person davor, dass personenbezogene Daten – wie sie bei Drohnenaufnahmen über Privatgrundstücke entstehen – ohne eine klare gesetzliche Grundlage erhoben, gespeichert oder verarbeitet werden. Drohnenbefliegungen dokumentieren nicht nur das äußere Erscheinungsbild von Gebäuden, sondern können durch hochauflösende Luftbilder auch sensible Details wie private Gärten, Terrassen und Balkone erfassen. Die Kombination dieser Bilddaten mit Georeferenzierung und Katasterinformationen ermöglicht eine eindeutige Zuordnung zu Eigentümern und macht die Maßnahme besonders eingriffsintensiv.
2. Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
Der Schutz der Wohnung umfasst nicht nur Innenräume, sondern auch alle umliegenden Grundstücksbereiche, die der Privatsphäre dienen – beispielsweise Gartenanlagen, Innenhöfe oder Balkonflächen. Kameradrohnen können diese Bereiche aus der Luft lautlos und unbemerkt erfassen, auch wenn sie von öffentlichen Wegen oder Straßen aus nicht einsehbar sind. Damit dringt eine Drohnenbefliegung tiefer in den geschützten Privatraum ein als viele herkömmliche Erhebungsmethoden.
Das Gericht betont, dass Drohnenaufnahmen sowohl den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren als auch einen besonders hohen Überwachungscharakter haben. Hinzu kommt, dass viele Drohnenbefliegungen unangekündigt erfolgen, sodass Betroffene keine Möglichkeit haben, sich zu schützen oder Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Diese Kombination aus heimlicher Erfassbarkeit, technischer Präzision und Datenverknüpfung verstärkt nach Ansicht des BayVGH die Eingriffsintensität erheblich.
Alternativen zur Drohnenbefliegung für Kommunen
Der Beschluss des BayVGH macht deutlich, dass Kommunen bei der Ermittlung von Gebäudedaten auf rechtlich zulässige und datenschutzkonforme Alternativen setzen müssen, wenn keine gesetzliche Grundlage für Drohnenbefliegungen besteht. Statt auf Kameradrohnen und hochauflösende Luftaufnahmen zu setzen, können folgende Methoden genutzt werden:
- Selbstauskunft der Grundstückseigentümer
- Nutzung bestehender Kataster- und Bauamtsdaten
- Einsatz vorhandener amtlicher Luftbilder
- Vor-Ort-Begehungen mit rechtlicher Grundlage
Der BayVGH betont, dass diese Alternativen nicht nur rechtlich sicherer, sondern auch praktikabel sind. Gerade die Kombination aus vorhandenen Datenbeständen und freiwilligen Selbstauskünften führt in den meisten Fällen zum selben Ergebnis wie ein Drohnenflug – ohne dass ein Eingriff in Grundrechte erfolgt.
Signalwirkung des BayVGH-Urteils für ganz Deutschland
Obwohl der konkrete Fall vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden wurde, hat das Urteil eine bundesweite Bedeutung für den Einsatz von Drohnen durch Kommunen und Behörden.
1. Präzedenzwirkung für andere Verwaltungsgerichte
Das Urteil hat Signalcharakter: Auch außerhalb Bayerns werden Verwaltungsgerichte voraussichtlich ähnliche Drohnenbefliegungen über Privatgrundstücke nach den gleichen DSGVO- und Grundrechtsmaßstäben beurteilen. Die Entscheidung macht klar, dass personenbezogene Daten aus Drohnenaufnahmen überall in Deutschland dem gleichen Datenschutzstandard unterliegen.
2. Anforderungen an künftige Rechtsgrundlagen
Sollten Landesgesetzgeber oder der Bund künftig den Einsatz von Kameradrohnen für Verwaltungszwecke ermöglichen wollen, müssen die Rechtsgrundlagen präzise ausgestaltet sein. Erforderlich sind klare Vorgaben zu:
- Eingriffsintensität
- Zweckbindung der Datenerhebung
- Technischen Grenzen (z. B. Auflösung, Flugzonen)
- Datensicherheit und Transparenzpflichten
3. Auswirkungen auf andere Verwaltungsbereiche
Die Grundsätze des Urteils betreffen nicht nur Gebühren- und Beitragsberechnungen, sondern auch Bauleitplanung, Denkmalschutz, Umweltüberwachung und andere Bereiche, in denen Drohnen eingesetzt werden könnten. Besonders bei der Erfassung sensibler Bereiche wie Wohngebiete oder Natur- und Landschaftsschutzflächen ist eine sorgfältige Rechtsprüfung notwendig.
4. Bedeutung für Bürgerakzeptanz und Vertrauen
Die Entscheidung zeigt, dass Transparenz und Freiwilligkeit bei der Datenerhebung entscheidend für die Bürgerakzeptanz sind. Kommunen, die frühzeitig informieren und auf freiwillige Zustimmung setzen, können Konflikte vermeiden und langfristig das Vertrauen in den technologischen Einsatz im Verwaltungshandeln stärken.
Fazit und Ausblick: Klare gesetzliche Regeln für den Drohneneinsatz erforderlich
Der technologische Fortschritt ist nicht aufzuhalten – und Drohnen bieten zweifellos erhebliche Potenziale für eine moderne Verwaltung. Doch gerade deshalb muss der rechtliche Rahmen proaktiv angepasst werden, um Effizienz, Bürgerrechte und Datenschutz in Einklang zu bringen. Nur so lässt sich Bürgerakzeptanz sichern und das Vertrauen in den technologischen Einsatz innerhalb der Verwaltung nachhaltig stärken.
Der Einsatz von Kameradrohnen zur Erfassung von Grundstücksdaten ist ohne spezifische gesetzliche Grundlage rechtswidrig – selbst dann, wenn die Drohnenaufnahmen ausschließlich für Verwaltungszwecke wie die Ermittlung von Geschossflächen verwendet werden sollen.
Für die Zukunft bedeutet das:
- Drohnen werden im öffentlichen Sektor weiter an Bedeutung gewinnen – etwa bei Bauleitplanung, Umweltüberwachung, Vermessung oder Infrastrukturprojekten.
- Ohne präzise gesetzliche Regelungen, die Zweck, Umfang, technische Parameter und Datenschutzmaßnahmen eindeutig festlegen, bleibt ihr Einsatz in vielen Bereichen unzulässig.
- Der Gesetzgeber muss einen Rahmen schaffen, der sowohl die Effizienz moderner Technologien als auch den Schutz der Privatsphäre sicherstellt.
❓ FAQ: Drohnenbefliegung über Privatgrundstücke – Urteil des BayVGH
Der BayVGH hat mit Beschluss vom 15. Februar 2024 (Az. 4 CE 23.2267) entschieden, dass Drohnenflüge über Privatgrundstücke zur Ermittlung von Geschossflächen ohne Einwilligung der Eigentümer rechtswidrig sind.
Auch wenn keine Personen erkennbar sind, können Aufnahmen durch Georeferenzierung eindeutig einem Grundstück und damit seinem Eigentümer zugeordnet werden. Zudem können Drohnen Bereiche wie Terrassen, Balkone, Gärten oder Innenräume durch Glasflächen erfassen, was tiefe Einblicke in die Privatsphäre ermöglicht.
Nach Auffassung des BayVGH fehlt derzeit eine spezifische gesetzliche Grundlage. Weder das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) noch das Kommunalabgabengesetz (BayKAG) oder kommunale Satzungen erlauben eine solche Datenerhebung aus der Luft.
Art. 4 BayDSG erlaubt Datenverarbeitungen durch öffentliche Stellen nur bei geringfügigen Eingriffen. Drohnenaufnahmen privater Grundstücke gelten jedoch als erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und sind daher nicht durch diese Generalklausel gedeckt.
Hauptsächlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).
Ja, zum Beispiel:
- Selbstauskunft der Grundstückseigentümer
- Nutzung bestehender Kataster- und Bauamtsdaten
- Verwendung vorhandener amtlicher Luftbilder
- Vor-Ort-Begehungen mit rechtlicher Grundlage
Soll der Einsatz von Drohnen durch Kommunen ermöglicht werden, braucht es präzise gesetzliche Regelungen zu Zweck, Umfang, technischen Grenzen und Datenschutzmaßnahmen.
Ja, dies gilt auch allgemein, da Bilder von Hausgrundstücken grundsätzlich personenbezogene Daten darstellen. Weshalb? Aufgrund des Aussehens eines Hauses kann auf die Einwohner und auf Adressdaten geschlossen werden.