Täuschung beim Unternehmenskauf kann gravierende rechtliche und wirtschaftliche Folgen haben – sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München bringt Klarheit: Es zeigt, unter welchen Voraussetzungen eine arglistige Täuschung vorliegt und wann ein Kaufvertrag deshalb rückabgewickelt werden kann. Gerade im B2B-Bereich, in dem Unternehmen oder Beteiligungen übertragen werden, kommt dem eine zentrale Bedeutung zu. Verkäufer müssen aufklären – auch ungefragt. Käufer müssen wachsam sein – und bei Verstößen reagieren.
Urteil: Täuschung durch aktives Verhalten und Verschweigen
Das OLG München erklärte den Unternehmenskaufvertrag in dem verhandelten Fall wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 142 Abs.1, 123 Abs. 1 BGB für unwirksam. Die Richter stellten klar, dass der Verkäufer zentrale Umstände der Unternehmenskrise bewusst verschwiegen habe. Zugleich habe er eine unzutreffend positive Zukunftsprognose gezeichnet. Diese Kombination – aktives Irreführen und Verschweigen wesentlicher Tatsachen – begründe eine vorsätzliche Täuschungshandlung.
Im Detail führte das Gericht aus:
- Die wirtschaftliche Situation der Kommanditgesellschaft war bereits beim Verkauf als kritisch einzustufen. Es lagen erhebliche Zahlungsrückstände, Liquiditätsprobleme, wiederholte Mahnungen und negative Ergebnisse vor.
- Der Verkäufer kannte diese Missstände nicht nur, er habe sie gezielt verschleiert.
- Die vom Verkäufer in Verkaufsanzeigen und E-Mail-Korrespondenz dargestellte Aussicht auf baldige Gewinne war nach Ansicht des Gerichts objektiv unbegründet.
- Auf kritische Nachfragen der Käufer habe der Verkäufer entweder nur vage geantwortet oder auf den Steuerberater verwiesen – ein Verhalten, das das Gericht nicht als ausreichende Aufklärung ansieht.
Verkäuferpflichten: Aufklärung auch ohne Nachfrage
Besonders deutlich äußerte sich das OLG München zu den Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf. Nach Auffassung des Gerichts trifft den Verkäufer eine umfassende Offenbarungspflicht, die auch ohne ausdrückliche Nachfrage des Käufers gilt. Das betrifft insbesondere solche Umstände, die die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens infrage stellen.
Dazu zählen unter anderem:
- Fortlaufende Verluste
- Wiederholte Mahnungen von Gläubigern
- Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
- Schlechte betriebswirtschaftliche Kennzahlen
Wichtig ist: Die Offenbarungspflicht umfasst nicht nur das bloße Bereitstellen von Unterlagen wie BWAs oder Jahresabschlüssen. Wenn deren Inhalte missverständlich sind oder durch gegenteilige Aussagen des Verkäufers relativiert werden, reicht dies nach Ansicht des Gerichts keinesfalls aus. Eine selektive oder geschönte Darstellung ist unzulässig – und kann zu einer Anfechtung führen.
Haftung trotz vertraglichem Haftungsausschluss
Ein weiteres zentrales Element des Urteils: Der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss schützte den Verkäufer nicht. Grund: Arglistiges Verhalten unterliegt nicht dem Schutz vertraglicher Haftungsausschlüsse. § 276 Abs. 3 BGB regelt ausdrücklich, dass eine Haftung für Vorsatz nicht ausgeschlossen werden kann.
Im konkreten Fall musste der Verkäufer:
- Die Einlagen in Höhe von 100.000 Euro an die Käufer zurückzahlen
- Weitere Vermögensschäden erstatten
- Die Rückübertragung der Gesellschaftsanteile akzeptieren
Zudem stellte das Gericht klar: Ein vertraglicher Haftungsausschluss bezieht sich im Zweifel nur auf Sachmängelansprüche – nicht jedoch auf Ansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung (culpa in contrahendo, kurz: c.i.c.).
Praxistipps: Wie Käufer Täuschung erkennen und rechtlich reagieren können
Die Entscheidung des OLG München unterstreicht, wie wichtig es für Käufer ist, die übertragene Gesellschaft sorgfältig zu prüfen – und sich nicht allein auf Unterlagen oder Aussagen des Verkäufers zu verlassen.
Folgende Empfehlungen sollten Käufer beherzigen:
- Gezielt nachfragen: Wurde das Unternehmen in der Vergangenheit gemahnt? Gibt es Zahlungsrückstände, offene Darlehen oder negative Ergebnisse?
- Externe Beratung einholen: Steuerberater und Wirtschaftsanwälte können Schwachstellen im Zahlenwerk schneller erkennen als ein betriebswirtschaftlicher Laie.
- Zukunftsprognosen kritisch prüfen: Aussagen wie „In wenigen Monaten ist das Unternehmen wieder profitabel“ oder „Wir stehen kurz vor einem Break-even“ sollten stets mit belastbaren Zahlen belegt werden.
Was tun bei Täuschung?
Sollten Käufer feststellen, dass der Verkäufer relevante Informationen bewusst verschwiegen oder falsch dargestellt hat, haben sie zwei grundlegende Optionen:
- Anfechtung des Kaufvertrags nach § 123 BGB zur vollständigen Rückabwicklung
- Festhalten am Vertrag bei gleichzeitiger Geltendmachung von Schadensersatz wegen c.i.c.
Wichtig: Der Käufer muss nicht beweisen, dass er ohne die Täuschung einen besseren Vertrag abgeschlossen hätte. Es genügt, wenn er darlegen kann, dass er sich auf eine falsche Information verlassen hat.
Ein weiterer Aspekt: Selbst wenn der Verkäufer seine falschen Angaben noch vor Vertragsabschluss korrigiert, bleibt die Täuschung unter Umständen rechtlich relevant. Entscheidend ist, ob die Korrektur geeignet war, den Käufer von seiner ursprünglichen Fehlvorstellung abzubringen. Eine bloße Richtigstellung in „letzter Minute“ reicht hierfür in der Regel nicht aus.
Fazit: Rechtssicherheit durch Offenheit – und klare Verantwortlichkeiten
Das Urteil des OLG München ist ein deutliches Signal an Unternehmensverkäufer: Wer seine Beteiligung veräußern will, muss alle relevanten Informationen offenlegen – auch dann, wenn sie wirtschaftlich nachteilig erscheinen. Wer wichtige Fakten verschweigt oder beschönigt, riskiert erhebliche Haftungsfolgen, auch wenn ein Haftungsausschluss vereinbart wurde.
Für Käufer bedeutet das Urteil: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Eine fundierte Prüfung des Zielunternehmens, ergänzt durch gezielte Fragen und externe Expertise, kann spätere rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden – und im Zweifel Ansprüche sichern.
Die Entscheidung des OLG München stärkt somit die Rechtsklarheit im Unternehmenskaufrecht. Sie mahnt zu sorgfältiger Vorbereitung, realistischer Kommunikation und umfassender Dokumentation – auf beiden Seiten.
❓ FAQ: Arglistige Täuschung beim Unternehmenskauf
Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Verkäufer dem Käufer bewusst falsche Angaben macht oder wichtige Informationen verschweigt, obwohl er weiß, dass sie für die Kaufentscheidung wesentlich sind. Dies betrifft insbesondere Angaben zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.
Der Verkäufer muss den Käufer auch ohne Nachfrage über Umstände informieren, die die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährden, wie etwa:
- anhaltende Verluste
- Liquiditätsprobleme
- Mahnungen durch Gläubiger
- drohende Insolvenz
Ein Verkäufer hatte eine wirtschaftlich angeschlagene Diskothek über eine KG veräußert. Trotz negativer Zahlen versprach er einen „schnellen Return of Invest“. Die Käufer investierten 100.000 €, übernahmen die Beteiligung – kurz darauf meldete die Gesellschaft Insolvenz an. Das Gericht wertete die Aussagen des Verkäufers als arglistige Täuschung.
Nein. Die pauschale Verweisung auf einen Steuerberater entbindet den Verkäufer nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht. Er muss aktiv und transparent aufklären – insbesondere bei wirtschaftlichen Risiken.
Nein. Eine Haftung für vorsätzliche Täuschung kann nicht wirksam ausgeschlossen werden (§ 276 Abs. 3 BGB). Selbst bei einem Mängelhaftungsausschluss bleibt der Verkäufer für arglistiges Verhalten verantwortlich.
Nein. Um den Vertrauensschaden geltend zu machen, genügt es, dass der Käufer auf die falschen Angaben vertraut hat – er muss nicht beweisen, dass ansonsten ein besserer Vertrag zustande gekommen wäre.
Das OLG-Urteil unterstreicht, dass Verkäufer maximale Transparenz schulden. Käufer haben bei arglistiger Täuschung starke rechtliche Hebel, insbesondere durch Anfechtung oder Schadensersatz. Für beide Seiten empfiehlt sich rechtliche Beratung – gerade bei wirtschaftlich angespannten Zielunternehmen