AGG-Hopping: BGH lehnt Prozessbetrug ab - 1

AGG-Hopping: BGH-Urteil zu Prozessbetrug bei Scheinbewerbungen

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Darf man sich zum Schein auf eine diskriminierende Stellenanzeige bewerben und anschließend Entschädigung nach dem AGG fordern – und AGG-Hopping ohne strafrechtliche Konsequenzen betreiben? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit dieser brisanten Frage in seinem Urteil vom 4. Mai 2022 (Az. 1 StR 138/21) befasst. Im Fokus steht das sogenannte „AGG-Hopping“ – eine Praxis, die juristisch umstritten ist, aber in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Für Arbeitgeber, HR-Verantwortliche und Unternehmensjuristen bietet das BGH-Urteil zu AGG-Hopping und Prozessbetrug wichtige Hinweise, wie mit Scheinbewerbungen und potenziellem Missbrauch des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umzugehen ist.

 

Was bedeutet AGG-Hopping durch Scheinbewerbungen?

Der Begriff „AGG-Hopping“ stammt aus der arbeitsrechtlichen Praxis und beschreibt Personen, die Scheinbewerbungen auf vermeintlich diskriminierende Stellenanzeigen versenden, um anschließend Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen – ohne je eine ernsthafte Anstellung zu beabsichtigen. Diese Scheinbewerbungen führen regelmäßig zu Konflikten zwischen Arbeitgebern und vermeintlichen AGG-Hoppern. Besonders risikobehaftet sind Formulierungen wie:

  • „junge, dynamische Berufseinsteiger gesucht“
  • „weibliches Verkaufspersonal erwĂĽnscht“

Solche Aussagen können gegen §§ 1 ff. AGG verstoßen und machen das Unternehmen angreifbar. AGG-Hopper nutzen dies strategisch aus, um durch Scheinbewerbungen finanzielle Entschädigungen zu fordern – teilweise mehrfach und systematisch.

 

BGH-Urteil zum AGG-Hopping: Prozessbetrug bei Scheinbewerbungen?

Im konkreten Fall zum AGG-Hopping des BGH hatte ein Rechtsanwalt zusammen mit seinem Bruder über 100 Entschädigungsforderungen bundesweit verschickt – alle aufgrund angeblich diskriminierender Stellenanzeigen. Das Landgericht München I verurteilte ihn wegen versuchten Prozessbetrugs in zwölf Fällen zu einer Bewährungsstrafe. Die Begründung: Bereits durch das erste Schreiben sei eine Täuschung über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung erfolgt – also der Verdacht einer Scheinbewerbung.

Der BGH hob dieses Urteil jedoch auf – und setzte dabei neue Maßstäbe in der strafrechtlichen Beurteilung AGG-Hopping von Scheinbewerbungen.

 

BGH-Urteil zum AGG-Hopping: Kein Prozessbetrug bei bloßer Scheinbewerbung ohne aktive Täuschung

Nach § 263 StGB setzt Betrug eine Täuschung über Tatsachen voraus. Das BGH-Urteil zum AGG-Hopping stellte klar: Eine pauschale Geltendmachung einer Entschädigung auf Grundlage einer Scheinbewerbung begründet noch keinen Prozessbetrug, wenn sie nicht mit einer expliziten oder konkludenten falschen Behauptung über die Beweggründe der Bewerbung verbunden ist.

Wesentlich sei, ob aus Sicht des Empfängers überhaupt davon ausgegangen werden kann, dass der Bewerber eine aufrichtige Jobabsicht hatte und keine Scheinbewerbung tätigte. Nach Auffassung der Richter fehlt eine solche allgemeine Erwartungshaltung im Geschäftsverkehr – insbesondere dann, wenn der Bewerber sich nicht zur Motivation äußert. Damit grenzt das BGH-Urteil zum AGG-Hopping die Schwelle zwischen Scheinbewerbung und Strafbarkeit deutlich ein.

 

AGG-Hopping vor dem BGH: Die Abgrenzung zwischen Scheinbewerbung und Prozessbetrug

Ein weiterer Knackpunkt des BGH-Urteils zum AGG-Hopping war die Abgrenzung zwischen strafloser Scheinbewerbung und strafbarem Betrugsversuch. Das LG München I hatte die Grenze mit Versendung der Entschädigungsschreiben überschritten gesehen. Der BGH hingegen entschied: Allein die Geltendmachung reicht nicht aus, um einen „unmittelbaren Angriff auf das Vermögen“ zu belegen. Schließlich hatte kein Unternehmen tatsächlich gezahlt – ein weiteres Indiz gegen den Versuchsbeginn.

Auch Hinweise wie die Androhung weiterer Rechtsmittel (z. B. Gang zum Bundesarbeitsgericht) genügen nicht, um eine Täuschungsabsicht eindeutig zu belegen. Dieses BGH-Urteil zu AGG-Hopping, Scheinbewerbungen und Prozessbetrug schuf damit eine klare Grenze zwischen unlauterem Verhalten und strafbarem Betrug.

 

Zivilprozess im AGG-Hopping-Fall vor dem BGH: Prozessbetrug durch Scheinbewerbung nur bei bewusster LĂĽge

Im Zivilprozess gilt gemäß § 138 ZPO die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Erklärung. Jede Partei muss ihre Angaben nach bestem Wissen und Gewissen machen.
Der BGH stellte jedoch klar: Allein die Erhebung einer Entschädigungsklage gemäß dem AGG nach einer Scheinbewerbung oder das Schweigen zur Motivation der Bewerbung begründen noch keinen Prozessbetrug im Sinne von § 263 StGB.
Ein solcher liegt erst dann vor, wenn der Kläger bewusst falsche Tatsachen vorträgt, um das Gericht oder die Gegenseite über die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zu täuschen.
Da das Landgericht München I keine ausreichenden Feststellungen zu einer solchen Täuschung getroffen hatte, hob der BGH das Urteil auf. 

 

Kritik am BGH-Urteil zum AGG-Hopping: Scheinbewerbungen moralisch fragwĂĽrdig, aber kein Prozessbetrug?

In juristischen Fachkreisen sorgt das BGH-Urteil zum AGG-Hopping für Diskussionen. Viele sehen darin eine „Einladung zum Missbrauch“ – schließlich könne man sich nun rechtlich abgesichert zum Schein bewerben und dennoch Geld verlangen. Andere betonen die Wichtigkeit der Unschuldsvermutung und der strikten Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht.

Der BGH-Urteil zum AGG-Hopping betont: Ein gezielter Missbrauch zivilrechtlicher AnsprĂĽche – etwa durch Scheinbewerbungen – fĂĽhrt nicht automatisch zur Strafbarkeit. DafĂĽr ist eine konkrete Täuschungshandlung mit Irrtum und VermögensverfĂĽgung notwendig.

„Rechtlich sauber – aber mit Beigeschmack“, kommentiert ein Arbeitsrechtler.

 

AGG-Hopping und Scheinbewerbungen vermeiden: Handlungsempfehlungen fĂĽr Arbeitgeber

FĂĽr Unternehmen ergeben sich aus dem BGH-Urteil zum AGG-Hopping praktische Konsequenzen. Auch wenn die strafrechtliche Relevanz begrenzt ist, sollten Arbeitgeber sich gegen AGG-Hopper und Scheinbewerbungen wappnen:

  1. Stellenanzeigen juristisch prĂĽfen lassen: Unklare oder diskriminierende Formulierungen vermeiden.
  2. Bewerbungsunterlagen dokumentieren: Auffällige Muster systematisch erfassen.
  3. Entschädigungsforderungen genau prüfen: Bei Verdachtsmomenten rechtlichen Beistand hinzuziehen.
  4. Rechtssichere Absageformulare verwenden: Formulierungen sollten neutral, nachvollziehbar und AGG-konform sein.

 

Rechtspolitische Diskussion: Braucht das AGG eine Missbrauchsklausel gegen AGG-Hopping und Scheinbewerbungen?

Das BGH-Urteil zum AGG-Hopping zeigt eine Lücke im AGG auf. Im Wettbewerbsrecht (§ 8c UWG) gibt es bereits eine Regelung gegen Rechtsmissbrauch. Im AGG fehlt eine solche Klausel bislang. Das Urteil zeigt deutlich: Der Gesetzgeber ist gefragt, eine Balance zu finden zwischen berechtigtem Diskriminierungsschutz und dem Schutz vor rechtsmissbräuchlicher Anspruchserhebung.

Ein gezielter Ergänzungsvorschlag gegen AGG-Hopping wäre etwa die Einführung eines § 15a AGG, der Regelbeispiele für missbräuchliche Scheinbewerbungen enthält, um Prozessbetrug zu verhindern – analog zum UWG.

 

Fazit: Scheinbewerbungen im Rahmen des AGG-Hoppings bleiben legal, aber riskant

Das BGH-Urteil vom 4. Mai 2022 schafft rechtliche Klarheit im Umgang mit AGG-Hopping und grenzt Prozessbetrug klar ab.
Scheinbewerbungen sind nicht automatisch strafbar, solange keine bewusste Täuschung nachweisbar ist.
Gleichzeitig verdeutlicht das BGH-Urteil die bestehenden Schutzlücken im Arbeitsrecht: Arbeitgeber tragen die Beweislast, während AGG-Hopper rechtlich in einer Grauzone agieren.

AGG-Hopping ist laut BGH-Urteil nicht per se strafbar – aber rechtspolitisch höchst problematisch. Arbeitgeber sollten wachsam sein, präventiv handeln und sich nicht auf Graubereiche verlassen. Eine gesetzliche Klarstellung könnte helfen, beide Seiten zu schützen – ohne berechtigte Diskriminierungsansprüche zu gefährden.

 

Schützen Sie Ihr Unternehmen vor missbräuchlichen Scheinbewerbungen und AGG-Hopping. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte für Arbeitsrecht kennen die aktuelle BGH-Rechtsprechung beraten Sie gerne. Hier können Sie einen Termin vereinbaren!

âť“ FAQ zum BGH-Urteil ĂĽber AGG-Hopping, Scheinbewerbungen und Prozessbetrug

AGG-Hopping bezeichnet die Praxis, sich gezielt auf diskriminierend formulierte Stellenanzeigen zu bewerben, ohne ernsthaftes Interesse an der Stelle (Scheinbewerbung). Ziel ist es, nach einer Absage Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 15 AGG) zu fordern.

Nein, AGG-Hopping wurde nicht für strafbar erklärt. Der BGH hat im Beschluss vom 04.05.2022 (Az. 1 StR 138/21) entschieden, dass allein das Geltendmachen von Entschädigungsansprüchen auf Grundlage einer Scheinbewerbung nicht automatisch eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellt.

Ein Prozessbetrug beim AGG-Hopping liegt nur dann vor, wenn eine konkrete Täuschung über Tatsachen erfolgt – z. B. durch bewusst unwahre Angaben zur Motivation der Bewerbung im Prozess. Bloßes Schweigen oder das Versenden eines anwaltlichen Forderungsschreibens reicht laut BGH nicht zum Prozessbetrug aus.

Ja, juristische Stimmen fordern bereits eine gesetzliche Missbrauchsklausel im AGG, ähnlich wie im UWG, um AGG-Hopping gezielter abzuwehren und gleichzeitig legitime Ansprüche nicht zu behindern.

Nicht per se. AGG-Hopping ist nicht strafbar, wenn keine nachweisbare Täuschung erfolgt. Zivilrechtlich kann ein Anspruch aber als rechtsmissbräuchlich abgewiesen werden, wenn die Bewerbung offensichtlich nur der Anspruchsgenerierung dient.

*Rechtlicher Hinweis

Dieser Beitrag dient ausschlieĂźlich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Die Inhalte wurden mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Dennoch kann keine Gewähr fĂĽr Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität ĂĽbernommen werden. 

Der Beitrag wurde am 24. Oktober 2025 aktualisiert.

Änderungen der Rechtslage oder der Rechtsprechung, die nach diesem Datum erfolgt sind, sind nicht berücksichtigt. Bitte wenden Sie sich für eine individuelle rechtliche Beratung an einen Rechtsanwalt.

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