Auskunftsanspruch, Datenschutz und digitale Herausforderungen im Überblick
Die Personalakte ist das zentrale Dokumentationsinstrument im Arbeitsverhältnis – sie enthält alle Informationen über einen Mitarbeiter, von Verträgen über Beurteilungen bis hin zu Abmahnungen. Doch was dürfen Arbeitnehmer über ihre Personalakte wissen? Und welche gesetzlichen Vorgaben müssen Arbeitgeber beim Führen einer analogen oder digitalen Personalakte beachten?
In Zeiten zunehmender Digitalisierung, komplexer HR-Tools und Cloud-basierter Personalverwaltung rücken Fragen nach Datenschutz, Auskunftsansprüchen und Transparenz immer stärker in den Vordergrund. Dieser Beitrag beleuchtet praxisnah, welche Rechte Arbeitnehmer im Umgang mit ihrer Personalakte haben und wie § 83 BetrVG und Art. 15 DSGVO zusammenwirken.
Was ist eine Personalakte – und was gehört hinein?
Eine Personalakte ist jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die sich auf das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten bezieht. Dabei ist es unerheblich, ob die Daten digital, hybrid oder papierbasiert gespeichert werden.
Typische Inhalte sind:
Arbeitsverträge, Nachträge und Vereinbarungen
Schulungs- und Weiterbildungsnachweise
Leistungsbeurteilungen, Zielvereinbarungen
Lohnabrechnungen, Fehlzeiten, Urlaubsstatistik
Abmahnungen, Kündigungen, Dokumentationen interner Gespräche
Relevante E-Mail-Korrespondenz
Auch Inhalte aus HR-Software oder Tools wie Zeiterfassungssystemen fallen unter die Personalakte – sofern sie sich personenbezogen einem Mitarbeiter zuordnen lassen.
Auskunftsanspruch: § 83 BetrVG vs. Art. 15 DSGVO
Arbeitnehmer haben gleich zwei Rechtsquellen, um Informationen über ihre Daten zu erhalten: das betriebsverfassungsrechtliche Einsichtsrecht nach § 83 BetrVG und den Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO.
§ 83 BetrVG: Das klassische Einsichtsrecht
Arbeitnehmer dürfen jederzeit ihre Personalakte einsehen – auch mit Begleitperson. Sie dürfen Notizen anfertigen oder Kopien auf eigene Kosten erhalten. Dieses Recht gilt nicht nur während des Arbeitsverhältnisses, sondern ggf. auch danach, gestützt auf § 241 Abs. 2 BGB.
Art. 15 DSGVO: Der umfassende Auskunftsanspruch
Anders als das Einsichtsrecht bietet die DSGVO ein weitergehendes Informationsrecht:
Welche personenbezogenen Daten werden verarbeitet?
Zu welchen Zwecken, wie lange, und wer sind Empfänger?
Anspruch auf unentgeltliche Kopie beim ersten Antrag
Besonders relevant: Dieser Anspruch greift unabhängig davon, ob Daten in einer Personalakte, in E-Mails, in Performance-Systemen oder Zeiterfassungstools gespeichert sind.
Verhältnis von § 83 BetrVG zu Art. 15 DSGVO
In der Praxis stellt sich häufig die Frage: Gilt der Auskunftsanspruch nach DSGVO zusätzlich zum Einsichtsrecht? Die Antwort: Ja – mit Einschränkungen.
Situation | Geltende Regelung |
---|---|
Während des Arbeitsverhältnisses | Vorrangig § 83 BetrVG |
Bei nicht aktenbezogenen Daten | Art. 15 DSGVO zusätzlich |
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses | Ausschließlich Art. 15 DSGVO |
Diese Unterscheidung ist wichtig, wenn Arbeitnehmer etwa im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine vollständige Datenkopie verlangen.
Was darf gespeichert werden – und was nicht?
Nicht jede Information darf in der Personalakte stehen. Die DSGVO und das BDSG geben klare Leitlinien:
✅ Erlaubt:
Daten zur Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 26 BDSG)
Nachweise über Qualifikation und Leistung
Abmahnungen mit begrenzter Aufbewahrungsdauer
⛔ Verboten:
Daten ohne Rechtsgrundlage (z. B. heimliche Tonaufnahmen)
Subjektive Verdachtsmomente ohne Nachweis
Gesundheitsdaten, außer unter engen Voraussetzungen (Art. 9 DSGVO)
Wichtig für die Praxis: Unternehmen sollten klare Richtlinien zur digitalen Personalaktenführung, Löschfristen und Zugriffsrechten etablieren.
Weitere Rechte: Berichtigung, Löschung, Gegendarstellung
Neben dem Auskunftsanspruch haben Arbeitnehmer folgende Rechte:
Berichtigung & Löschung: Bei fehlerhaften oder unzulässigen Daten (Art. 16, 17 DSGVO)
Gegendarstellung: Muss laut § 83 Abs. 2 BetrVG dauerhaft in die Personalakte aufgenommen werden
Löschung nach Austritt: Wenn keine Aufbewahrungspflichten bestehen, dürfen Daten gelöscht werden
Muss die gesamte Personalakte herausgegeben werden?
Hier gehen die Meinungen auseinander:
Enge Auffassung: Nur strukturierte Daten (Stammdaten, Zeiten, Gehalt)
Weite Auffassung (Tendenz der Rechtsprechung): Auch Bewertungen, Vermerke, Abmahnungen
Der Bundesgerichtshof (VI ZR 576/19) und der Europäische Gerichtshof (C-307/22) sprechen sich für eine weite Auslegung des Begriffs „personenbezogene Daten“ aus. Eine finale Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus.
Risiken bei Verstößen gegen Auskunftsrechte
Arbeitgeber, die Auskunfts- oder Einsichtsrechte ignorieren, setzen sich folgenden Risiken aus:
Beschwerden bei Aufsichtsbehörden
Bußgelder nach Art. 83 DSGVO
Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO – auch für „immaterielle Schäden“
Verwertungsverbote im Arbeitsrecht bei rechtswidrig gespeicherten Daten
Fazit: Transparente Personalaktenführung ist Compliance-Pflicht
Eine klare, rechtssichere und datenschutzkonforme Personalaktenführung ist heute unverzichtbar. Sie schützt Arbeitgeber vor Bußgeldern und Rechtsstreitigkeiten – und stärkt zugleich das Vertrauen der Mitarbeiter.
Insbesondere die korrekte Anwendung von § 83 BetrVG und Art. 15 DSGVO ist für HR-Abteilungen, Personalverantwortliche und Betriebsräte von zentraler Bedeutung.
❓ FAQ: Häufige Fragen zur Personalakte und zum Auskunftsanspruch
Alle Arbeitnehmer – einschließlich Auszubildender – haben nach § 83 Abs. 1 BetrVG das Recht, ihre Personalakte einzusehen. Dieses Recht besteht auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses fort.
Ja. Arbeitnehmer dürfen auf eigene Kosten Notizen anfertigen oder Kopien verlangen. Dieses Recht leitet sich aus dem allgemeinen Einsichtsanspruch ab.
Art. 15 DSGVO gewährt ein umfassendes Auskunftsrecht über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten – auch außerhalb der Personalakte. Dazu zählen:
- Herkunft der Daten
- Verarbeitungszweck
- Empfänger
- Speicherdauer
- Kopie der Daten
Das wird unterschiedlich interpretiert:
- Eng: Nur Stammdaten wie Name, Adresse, Beschäftigungsdaten
- Weit (h.M.): Auch interne E-Mails, Bewertungen und Vermerke – sofern sie Aussagen über die Person treffen
Ja. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn:
- Rechte Dritter beeinträchtigt würden
- Geschäftsgeheimnisse betroffen sind
- Der Antrag missbräuchlich gestellt wird (z. B. zur Schikane)
Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass unberechtigte oder veraltete Abmahnungen entfernt werden. Außerdem hat er das Recht auf Aufnahme einer Gegendarstellung in die Akte (§ 83 Abs. 2 BetrVG).
- Bußgelder nach Art. 83 DSGVO
- Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO – auch für immaterielle Schäden
- Reputationsverlust und arbeitsrechtliche Konsequenzen
• Datenschutzkonforme, strukturierte Aktenführung
• Klare Prozesse zur Einsichtnahme und Auskunft
• Dokumentation von Auskunftsersuchen
• Prüfung auf missbräuchliche Nutzung
*Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Die Inhalte wurden mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität übernommen werden. Der Beitrag wurde am 29. Juli 2025 angepasst. Änderungen der Rechtslage oder der Rechtsprechung, die nach diesem Datum erfolgt sind, sind nicht berücksichtigt.
Bitte wenden Sie sich für eine individuelle rechtliche Beratung an einen Rechtsanwalt.